Nadelstreifen und Frittenöl im MLM
Nach wie vor ist sie beliebt, die MLM – Geschäftspräsentation im Hinterzimmer des Griechen, weil hier alles so schön gemütlich und trotzdem billig ist. Kuschelig eng sitzen die neuen Gäste nebeneinander auf stilechten Holzimitatstühlen, auf denen mal in rot oder grün-weiß karierte Sitzunterlagen für Gemütlichkeit sorgen sollen. Alle harren der Dinge, die da kommen, hat doch der Gastgeber versprochen, dass es bei diesem netten Zusammensein um ein wahres Millionengeschäft gehen würde. Aus besonderem Anlaß kommt sogar die MLM – Upline dazu, die schon richtig erfolgreich ist. Bei einigen Gästen setzt schon der pawlowsche Sabberreflex ein, ziehen doch erste Zwiebel-Geruchs-Schwaden über den reinweiß gekachelten Fußboden, der sich nur wenige Sekunden später mit dem appetitanregenden Molekülstrukturen von altem Frittenfett zu einem wahren Geruchsspektakel entfalten wird. Wie üblich im echten Süden, verbreitet grelles Neonlicht eine Stimmung ähnlich wie in einem Polizeirevier und verleiht dem Ganzen eine gewisse Seriosität, da man scheinbar nichts zu verstecken hat. Die Gastgeber mühen sich sichtlich ab, den großen Moment vorzubereiten, wenn die vielgepriesene Führungskraft über den Hintereingang durch die Küche mit schallendem Applaus den Raum betreten soll. Und dann ist es soweit, die Küchentür öffnet sich, der Beamer durchbricht sogar das gleißende Licht der Neonlampen, die sich nicht dimmen lassen und die zehn anwesenden Geschäftspartner verfallen in eine traumatische Jubel-Ekstase. Die vier anwesenden Gäste wissen nicht, wie Ihnen geschieht und sind sichtlich überrascht von der spektakulären Inszenierung, die in nichts dem Vergleich eines Las Vegas-Showdowns zu fürchten braucht.
Sie werden garantiert beobachtet
Müller, einer der vier Gäste, ist Bankdirektor und hat drei Kollegen aus der Finanzbranche mitgenommen. Alle sitzen wie gewohnt in Nadelstreifen und Krawatte zwischen den Geschäftspartnern und beobachten das Szenario. Einem der Vertriebspartner läuft vor lauter Aufregung der Tsatsiki aus dem Mundwinkel, während ein anderer bereits die zweite Flasche Ouzo bestellt. Der Veranstalter, ein Profi in seinem Metier, kommt nämlich aus dem Gastro-Bereich, kennt seine Pappenheimer und hat mit dem Griechen ein „ALL-YOU-CAN-EAT-Arrangement“ getroffen. Das läßt sich dann auch niemand zweimal sagen und bevor man zu den Verlieren am kalten Buffet gehört, türmen sich auf den Tellern bereits fein gestapelt Krautsalat, Gyros, Souflaki, Tsatsiki, ein kleiner zehn Zentimeter hoher Pommes-Berg, reichlich Salat und obendrauf als krönender Abschluß eine extra Nachtisch-Portion, die zwischen den Krautsalat-Zwischenräumen bis zum Boden des Tellers nach unten durchsickert wie endgelagerter Giftmüll in einer Deponie, der ins Grundwasser gelangt. Für Müller und seine drei Freunde war das Geschäft bereits nach wenigen Minuten gelaufen. Unverständlich, denn die Stimmung war doch wirklich nicht schlecht, der Sprecher hat sein bestes gegeben und war selten so überzeugend wie an diesem Abend.
Geschäft ist Geschäft
Diese kleine Geschichte mag ganz amüsant klingen, aber oft genug hat man mich gerade zu solchen kuscheligen Geschäftspräsentationen eingeladen, die ich dankend abgelehnt habe. Kennen Sie solche Veranstaltungen? Sind solche Veranstaltungen auch für Sie echte Highlight-Treffen? Dann müssen Sie sich nicht wundern, daß Ihre Organisation so ist, wie sie ist. Sie wird aus hemmungslosen Amateuren bestehen, die nicht wissen, wie eine Geschäftsveranstaltung abzulaufen hat und während einer Geschäftspräsentation in einem 5-Sterne-Tempel die Dreistigkeit besitzen würden, eine Tupperdose zu öffnen, das Alupapier mit dem Butterbrot auseinanderzurollen und dann deutlich hörbar an einer Plastikflasche zu saugen, die gerade in der Pause mit frischem Wasser aus der Damentoilette befüllt wurde. Bedenken Sie immer, eine Geschäftspräsentation dient dazu, sich von der besten Seite zu zeigen, den Gästen etwas Einzigartiges zu bieten und diesen Tag mit aller Professionalität zu gestalten und ob dazu die “Nadelstreifen und Fritten-Präsentation” geeignet scheint, könnte man doch anzweifeln. Was meinen Sie?
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